Hasanen: „Je besser das Individuum, desto besser das Team“
Erstellt von compoundbow83 am 23.03.2019 9:38:41 Uhr | Kategorie Adler Mannheim
Pertti Hasanen gehört seit dem vergangen Sommer zum Trainerteam der Adler. Der 64-jährige Finne hat in den vergangenen Jahren reichlich Erfahrung als Coach und Scout gesammelt, er war aber auch als Skillcoach und Spielerentwickler tätig. Im Interview spricht der weitgereiste ehemalige Torhüter über die Arbeit in Mannheim, die Kooperation mit Heilbronn und die künftige Ausrichtung.
Pertti, während die Adler um den Einzug ins Halbfinale kämpfen, ist die Saison 2018/19 für Kooperationspartner Heilbronn nach der 1. Playoff-Runde beendet. Du hast einige Spiele der Falken verfolgt. Wo steht die DEL2 im Vergleich zur DEL?
Das individuelle Level der Spieler in der DEL ist höher, was das Spiel schneller und intensiver macht. Du musst schnellere Entscheidungen treffen: Wie nehme ich einen Pass an, wo spiele ich den nächsten hin? Daher ist es wichtig, dass du als junger Spieler in der Entwicklungsphase in beiden Ligen spielst. Denn ohne die Praxiserfahrung in der DEL wirst du als Spieler das Tempo nicht erreichen, auch wenn einzelne Spitzenmannschaften der DEL2 wie beispielsweise Frankfurt oder Weißwasser mit vier, fünf Ergänzungen sicher auch in der DEL bestehen könnten.
Warum ist ein Kooperationspartner in der zweiten Liga dennoch essenziell für die Adler?
Spieler, die für die DNL zu alt sind, schaffen im Regelfall noch nicht den Sprung in die DEL. Da braucht es einen Zwischenschritt. Während in der DNL die meisten Gegenspieler 16 oder 17 Jahre alt sind, spielst du im nächsten Moment plötzlich gegen Männer. Die Checks, der Kampf um den Puck, die Härte der Gegenspieler – all das bist du als 19- oder 20-jähriger Spieler nicht gewohnt. Und die Akteure in der DEL sind nochmals ein Level darüber. Es braucht ein bisschen Zeit, bis man sich daran gewöhnt hat und man damit umzugehen weiß. Vielleicht kommt man mal für ein Spiel damit klar, eine ganze Saison aber nicht. Außerdem bekommt ein junger Spieler in der DEL meist nicht die Eiszeit, die er für seine Entwicklung braucht. Das Training ist zwar für jeden wichtig, aber wenn du nicht spielst, fehlt dir die Motivation und der letzte Schritt in deiner Entwicklung. Man muss den jungen Spielern Eiszeiten garantieren können.
Eiszeit ist demnach unerlässlich. Du sagtest aber auch, dass das Training eine wichtige Rolle spielt. Eines deiner Aufgabengebiete ist das Skillstraining. Was muss man sich darunter vorstellen?
Wir haben in dieser Spielzeit sowohl bei den Adlern als auch mit den Förderlizenzspielern in Heilbronn viel an der Beweglichkeit, der Explosivität, dem Stickhandling und am Schuss gearbeitet. Es geht dabei also nicht um konditionelle oder taktische Aspekte. Das sind Sachen des Team- oder Off-Ice-Trainings. Bei Skillseinheiten geht es um gewisse Grundlagen, die man eigentlich während einer gesamten Karriere trainieren muss, da sie sonst nach und nach verloren gehen: Vorhand- und Rückhandpässe, Passannahmen, Skating, enge Kurven, wie verhalte ich mich nach einem Fehlpass, wann muss ich mich wie schützen und vieles mehr. Diese Dinge gilt es so zu verinnerlichen, dass sie in Spielen zu Automatismen werden, dass du schnell weißt, welche Bewegung wann zu tun ist und du dich in dieser Situation wohlfühlst. Je mehr du spielst, desto wichtiger sind solche Einheiten. Denn es kommt vor, dass du nach drei Partien vielleicht nur drei Schüsse abgegeben hast. Wie willst du in einem solchen Fall an deinem Schuss arbeiten? In einem Mannschaftstraining schießt du vielleicht 15 Mal. Wir reden aber von vielleicht 100 Schüssen, die nötig sind. Im AHL-Team der Pittsburgh Penguins habe ich eine ganze Saison lang immer mal wieder 200 Schüsse abfeuern lassen. Nach den ersten Einheiten lagen die Jungs platt auf dem Eis. Ab Weihnachten war es plötzlich kein Problem mehr. Und dann sah man auch erste Erfolge in den Spielen. Die Jungs haben viel schneller, häufiger und selbstbewusster geschossen, weil sie an die Situation einfach gewohnt waren.
Wie ist so eine Skillseinheit aufgebaut?
Das lässt sich nicht verallgemeinern. Wichtig ist, dass die Gruppe nicht zu groß ist. Du brauchst Zeit mit den Spielern und diese Zeit musst du dir nehmen. So kommst du auch mit jedem einzelnen Spieler ins Gespräch, was auch ein entscheidender Faktor ist. Denn so erfährst du, welche individuellen Schwächen es gibt. Konkret macht man dann beispielsweise die ersten 15 Minuten Vorhand- und Rückhandschüsse, danach Körpertäuschungen und die letzten 20 Minuten etwas für die Explosivität. Es gibt auch Übungen, die alles vereinen, so wie die Spieler sie letztlich auch in den Spielen anwenden müssen. Aber die kosten sehr viel Zeit und das geht entsprechend zu Lasten der Wiederholungsanzahl. Deswegen sind auch die Einzelübungen wichtig. Natürlich braucht es aber auch die Bereitschaft der Spieler, sich verbessern zu wollen. Wir können ihnen nur die Möglichkeit bieten, nicht aber für sie trainieren.
Wie beurteilst du denn die Entwicklung der jungen Spieler, mit denen du regelmäßig in Heilbronn gearbeitet hast?
Grundsätzlich brauchen wir Spieler mit gutem Charakter, die sich kontinuierlich weiterentwickeln wollen. Und das war beispielsweise bei Samuel Soramies, Pierre Preto, Alex Lambacher und Mirko Pantkowski der Fall, denn alle vier Jungs haben sich unglaublich verbessert. Samuel hatte am Ende die meiste Eiszeit. Pierre hat viel Lob in der U20-Nationalmannschaft bekommen und Alex kam nach seiner Verletzung sehr stark zurück. Mirko hingegen hat Heilbronn im Alleingang einige Spiele gewonnen. Ich bin mir sicher, dass Pavel im September mindestens ein Auge auf die Jungs werfen wird. Man darf aber auch nichts überstützen. Alles braucht seine Zeit.
Welche Rolle hat Ilkka Pakarinen für das Skillstraining gespielt?
Eine unfassbar wichtige, da ich nicht immer in Heilbronn sein konnte. Aufgrund der Aufgaben bei den Adlern war ich manchmal nur alle 14 Tage vor Ort. Er war immer da. Er hat sich um die tägliche Umsetzung gekümmert. Er hat mit den Jungs die Videoanalyse gemacht und viel mit ihnen gesprochen, stand jeden Tag auf dem Eis. Ohne ihn hätte das Ganze nicht so hervorragend funktioniert.
Abschließend: Wie fällt dein Fazit nach fast einer Saison aus?
Wir haben meines Erachtens sehr gute Arbeit geleistet. Wir verfolgen diesen Ansatz auch in den Nachwuchsteams der Adler. Dort kam kürzlich ein Trainer auf mich zu, der meinte, dass er am Anfang keine Verbesserung sah. Aber rund um Weihnachten hat er Veränderungen im Spiel seiner Mannschaft gesehen und er wusste genau, woher die kommen. Und jetzt muss man berücksichtigen, dass das im ersten Jahr nach ein paar Monaten passiert ist. Uns geht es aber darum, das System über die nächsten Jahre zu etablieren. Sicher gibt es immer Bereiche, in denen man sich verbessern kann. Wir müssen uns fragen, was der nächste Schritt ist und was wir tun können, um ihn zu erreichen. Vor allem, weil wir perfekte äußere Umstände haben.
Und wie lässt sich dieses System dauerhaft etablieren?
Wir müssen die Quantität erhöhen, sodass nahezu täglich solche Einheiten stattfinden können. Mal zehn, mal zwanzig Minuten. Da kann es auch einfach nur darum gehen, 15 Minuten Pucks zu schießen. Gerade für Kinder im Alter von zwölf bis siebzehn Jahren sind solche Sachen für die Entwicklung ungemein wichtig. Es gibt zwar kein zu früh oder kein zu spät, aber diese Jahre kann man nicht mehr aufholen, wenn man sie verpasst hat. In Skandinavien ist man davon überzeugt, dass 80 Prozent individuelle Skillsarbeit und 20 Prozent Teamtraining ideal sind. Wenn du schießen, passen, skaten kannst, kommst du leicht in jedem System der Welt zurecht. Und je besser jeder individuell ist, desto besser ist am Ende auch das Team. Völlig unabhängig vom System. Deswegen werden wir in Mannheim nicht einen NHL-Spieler nach dem anderen entwickeln, aber wir geben jedem einzelnen die Möglichkeit dazu.
Quelle: www.adler-mannheim.de